Krise in der Zwischenkriegszeit: Heimat-Produktion

Werbebroschüre des Steirischen Heimatwerks für Fach- und Trachtenberatung und Verkauf mit Grafik einer Frau in Tracht, Mitte 1930er-Jahre bis 1940er-Jahre, Volkskundemuseum

15/04/21

In den frühen 1930er-Jahren zeigten sich in vielen Ländern Europas gesellschaftlich-politische Spannungen, die Ablehnung von Demokratie und Parlamentarismus. Mit der Etablierung des autoritären „Ständestaats“ (Austrofaschismus) im Jahr 1933/34 gingen auch Veränderungen auf eine Einengung der Kultur auf „christlich und deutsch“ einher.

In dieser Zeit bot das Volkskundemuseum mit Viktor Geramb an der Spitze der Politik die gewünschte kulturelle Ressource und erhielt im Gegenzug politische Aufmerksamkeit. Mit der Etablierung des Steirischen Heimatwerks war der Volkskundler Geramb aktiv am Aufbau und der Stärkung einer spezifischen Idee des „Steirertums“ beteiligt.

Insbesondere über „wahre und echte“ Tracht vermittelten die volkskundlichen Akteur*innen in der Paulustorgasse ganz im Sinne der Politik kulturell gestützte Identitätsvorstellungen – auch nach 1945.

Das Heimatwerk, seine Arbeit und seine Produkte erfuhren schon in den 1930er-Jahren nicht zuletzt durch die Akteur*innen des Volkskundemuseums eine ideologische Aufladung. Für das autoritärer werdende politische System wurden Museum und Heimatwerk für die politischen Ziele nutzbar und einsetzbar.

Wie andere Kleiderproduzenten nahm auch der Grazer Trachtenschneider Rudolf Scholz in den 1930er-Jahren Anteil am Kampf um den Erhalt der „steirischen Bekleidung“ und gegen „billigen Schund“. Er führte auch einen rassistisch motivierten „Verteilungskampf“: In seinem Schreiben forderte er ein Verbot von Konfektionsware und den Ausschluss von jüdischen und anderen „Nicht-Deutsch-Österreichischen“ Schneidermeister*innen von der Trachtenproduktion.

Bezugnehmend auf Erzherzog Johann und sein „Aufbauwerk“ wollte Viktor Geramb mit dem Verkauf von Stoffen, Trachten und „Volkskunst“-Erzeugnissen in Zeiten wirtschaftlicher Not auch das Haus- und Kleingewerbe unterstützen. Bald präsentierte sich das Heimatwerk als solide geführter Betrieb. Dies war besonders dem ehrenamtlich tätigen kaufmännischen Betreuer des Heimatwerks Gustav Klein zu verdanken. Als Jude verfolgt, nahm er sich nach dem „Anschluss“ Österreichs an NS-Deutschland das Leben.